Ein verdammt langes halbes Jahr

Wow. Anfang des Jahres ist unsere Tochter ein halbes Jahr alt geworden. Meine Fresse, das war wahrscheinlich das längste halbe Jahr meines Lebens. Und gleichzeitig habe ich das Gefühl als sei ich noch nicht mal aus dem Wochenbett raus. Verrückt, oder? Ich weiß gar nicht genau, warum. Vielleicht weil unser Baby immer noch ziemlich unberechenbar ist. Beim Großen hatten wir mit einem halbes Jahr irgendwie schon so viele „Baby-Erlebnisse“, so viele Meilensteine. Gerade haben wir unserer Tochter den ersten Brei angeboten und obwohl sie am liebsten in den Löffel reinspringen würde, habe ich das Gefühl, es ist so früh. Bei unserer Tochter habe ich das Gefühl, dass sie noch so sehr „Baby“ ist und viel langsamer „größer“ wird.

Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass wir Zeit verplempert haben. Wo ist sie hin? Wie dieses Gefühl, wenn das Wochenende schon wieder rum ist und man sich fragt, was zum Geier man eigentlich die ganze Zeit gemacht hat. Tja, wir haben eben versucht unser Leben auf Kurs zu halten und damit waren wir gut beschäftigt, und nicht selten komplett überfordert. Letztlich können wir also kein richtiges „Ergebnis“ vorweisen, außer vielleicht, dass wir nicht komplett wahnsinnig geworden sind.

Vieles könnte besser sein.

Wir haben die Weihnachtszeit und die Feiertage ziemlich gut überstanden. Trotz unstrukturiertem Alltag und großen Familienessen, trotz Trubel und Lautstärke. Es war sogar so gut, dass wir dachten „Jetzt ist der Knoten geplatzt. Jetzt ist alles normal.“ Ok, den Fehler machen wir auch echt jedes Mal, wenn ein paar Tage gut laufen. Dafür fühlt sich der Rückschlag immer umso härter an, und ja, wir sind jedes Mal enttäuscht. Am Wochenende hatte sie echt schlimme Schrei-Attacken. Einen Besuch bei Freunden haben wir abgebrochen und von einem Spielplatz sind wir überstürzt aufgebrochen. Sie war so außer sich, hat geschrien und gewürgt und sich fast übergeben. Es kann bei ihr von Jetzt auf Gleich umschlagen und uns unvorbereitet treffen. Tagsüber schläft sie immer noch zu wenig. Mein Mann geht immernoch so viel mit ihr spazieren, aber es ist völlig unberechenbar, ob sie die Augen zu macht oder nicht. Außerdem kommt es mittlerweile regelmäßig vor, dass sie mitten in der Nacht aufwacht und schreit. Einfach so. Das ist für unseren Gemütszustand natürlich nicht so dolle.

Vieles ist besser.

Ja, vieles ist besser. Wirklich vieles! Das Schreien hat sich drastisch reduziert. Sie schreit nicht mehr die ganze Zeit. Sie hält viel, viel länger durch. Sie kann auf ihrer Decke liegen und sich mit ihrem Spielzeug beschäftigen. Oder durch den Raum kugeln. Mittlerweile kann sie sich in alle Richtungen rollen, sie kann auf dem Bauch liegen und sich mit den Unterarmen aufstützen. Motorisch ist sie nach unserer Einschätzung nicht mehr besonders „hinterher“. Sie quasselt wie ein Wasserfall. Sie gröhlt sogar wie ein Hooligan – vorzugsweise nachts um 3 Uhr. Sie fixiert einen mit ihren riesigen Augen so, dass man nicht wegschauen kann. Sie kann lächeln und glucksend lachen. Wir trauen uns mittlerweile aus dem Haus mit ihr. Wir besuchen Freunde oder gehen zusammen auf den Spielplatz oder in den Tierpark und oft klappt das alles recht gut. Das alles ist sehr viel wert!

Diese unglaubliche Erschöpfung.

Wenn ein paar Tage gut laufen, wenn wir morgens nach einer guten Nacht aufstehen… dann lässt uns die Euphorie glauben, dass wir alles so tun könnten „wie immer“ – und damit meine ich die Pre-Schreibabyphase. Dann nehmen wir uns viel vor, es gibt ja so viel, was wir nachholen müssen. Es gibt so unglaublich viel, was über das letzte halbe Jahr liegen geblieben ist. Es gibt so viel zu erledigen. Aber sie ist da, diese Erschöpfung, selbst wenn wir sie für einen Moment nicht spüren. Sie sitzt uns tief in den Knochen und hält immer wieder das Stop-Schild hoch. Egal, wie ausgeschlafen wir sind und egal, wie gut wir drauf sind, wir machen fünf Schritte und sind völlig fertig. Wir kommen nur in Mäuseschritten voran und das nervt.
Ich hatte den einen Vormittag Besuch von einer Freundin und wir haben nichts getan als dazusitzen und Kaffe zu trinken und zu quatschen. Es war herrlich. Als sie nach 2,5h Stunden gegangen ist, stelle ich fest, dass ich völlig erschlagen bin. Für den Rest des Tages konnte man mich nicht mehr gebrauchen. Das ist doch einfach Mist.

Es geht vorwärts.

Es ist furchbar frustrierend nicht mehr so leistungsfähig zu sein wie man es gewohnt ist. Ich frage mich, wie lange es wohl dauern wird bis sich auch das wieder eingependelt hat. Ich ahne, dass es noch ein bißchen brauchen wird und dass wir noch das ein oder andere Mal frustriert darüber sein werden. Auch wenn wir das Gefühl haben, dass wir fünf Schritte vor und wieder zwei zurück machen… vorwärts ist vorwärts. Und das ist doch schon mal was!

doch ich fühl mich federleicht
weil es sich fast immer lohnt
und so erscheint das nichts so bleibt, wie es ist
fast schon, wie gewohnt

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert