Meine Güte, wir waren mal wieder weg vom Fenster. Abgetaucht, bzw. wohl eher hinab gerissen. Die Wohnung sieht wieder mal abenteuerlich aus. Unsere Augenlider hängen in den Kniekehlen. Ich habe unzählige Nachrichten auf dem Handy, aus dem letzten Monat, die ich noch nicht beantwortet habe. (Es tut mir so leid, ihr lieben Menschen, die ihr wissen wollt, wie es uns geht.)
Als unsere Tochter ein halbes Jahr alt war, hatten wir gedacht, dass alles besser wird. Es machte diesmal wirklich – wirklich! – den Eindruck. Es waren auch ca. vier ziemlich coole Wochen. Denke ich zumindest. Es ist schon wieder so lange her und kommt mir vor wie ein schöner Traum von damals. Irgendwie ist es wieder gekippt, wir haben es gar nicht so recht gemerkt. Unsere Tochter war krank, dann kam ein Zahn, dann wurde sie wieder krank, irgendwas ist ja immer. Und schwupsdiwups sind 8 Wochen um, in denen unsere Tochter öfter mal nur 3h nachts geschlafen hat. In denen sie plötzlich doch wieder vermehrt eine Schrei-Attacke hatte. In denen wir Eltern wieder so oft bis zur Erschöpfung gestritten haben. In denen überhaupt an Ruhe und Gelassenheit im Alltag nur wenig zu denken war. Ja, es ist bestimmt alles besser geworden. Wir merken es nur gerade nicht!
Nachwievor tut sie alles, nur nicht schlafen. Nachwievor tut es ihr nicht gut. Nur, sie schreit jetzt seltener. Sie wirkt jetzt mit zunehmender Tageszeit ohne Schlaf wie „irre“… also, so Joker-mäßig-irre. Sie ist komplett drüber. Sie kriegt nichts mehr mit. Sie ist motorisch komplett außer Kontrolle. Sie kann keine Sekunde still liegen. Sie rollt von links nach recht und wieder zurück. Sie liegt auf dem Bauch und wedelt mit Armen und Beinen gleichzeitig. Die hämmert ihre Händchen auf den Fußboden. Sie wippt mit dem Oberkörper auf und ab wie eine Robbe auf einer Eisscholle. Sie schmeißt den Kopf hin und her. Hin und Her. Hin und Her. Also, wenn ich „irre“ sage, dann mein ich auch „irre“. Ohne Scheiß. Wenn ich sie zappeln sehe, denk ich manchmal: In einem Cartoon der Looney Tunes würde einfach eine schwere Betonplatte auf sie drauf klatschen. (Das darf man bestimmt nicht denken, also verratet es keinem!)
Wenn andere unsere Tochter erleben, erleben sie meistens ein freundliches und sehr aktives Baby. Im ersten Moment ist sie auch wirklich zuckersüß. Wenn die Situation neu ist, wenn sie neue Reize aufsaugen kann. Sie nimmt jede Interaktion an, flirtet mit Allen, strahlt einem ins Gesicht. Jeder freut sich über ihr Gequassel und Gequitsche und Gegröhle. Für ein, zwei Stunden ist das ja voll okay und normal. Aber das Ganze, ohne nennenswerte Pausen von 7 Uhr morgens bis 18 Uhr abends?! Es kippt irgendwann. Je weniger Ausruhphasen, desto schneller.
Sie gähnt, sie reibt sich die Augen, sie ist weinerlich und meckert den Rest des Tages rum, wenn man ihr nichts Neues bietet. Ja, es kommt so natürlich trotzdem noch zu ordentlichen Schrei-Attacken. Ich hatte sie letzte Woche auf dem Schoß und sie beim Schreien begleitet – sie musste ungelogen alle zwei Minuten kurz das Schreien unterbrechen, weil sie gähnen musste. So fix und fertig war sie. Aber schlafen? Vor meinem inneren Auge zeigt sie mir den Mittelfinger.
Es macht uns Sorgen, manchmal ein bißchen Angst. Es macht uns unruhig. Eigentlich soll mit ihr soweit „alles in Ordnung“ sein, aber wenn wir sie so sehen fällt es uns manchmal schwer das zu glauben. Wir verstehen nicht, was sie da tut oder warum sie es tut. Auf Grund von Krankheit sind mehrfach Therapien ausgefallen, so dass wir unsere Sorgen noch mit Niemandem teilen konnten.
Übermorgen geht’s in den Urlaub. Der erste Urlaub zu viert. Ich schlafe abends fast ein, während ich versuche konzentriert die To-Do-Packlisten vom letzten Urlaub zu aktualisieren.
Wir fahren mit sehr gemischten Gefühlen. Immerhin geht’s an meine geliebte Ostesee. Ob wir ein bißchen Erholung bekommen? Oder war es einfach nur eine Scheiß-Idee?