Hui, ein Wutanfall

„So, das war jetzt wie aus den Büchern.“ sagte ich zu meinem Mann. Gemeint war ein Wut- und Traueranfall unserer Tochter.

Unsere Tochter ist ein sogenanntes „gefühlsstarkes“ Kind. Vom großen Bruder kannten wir eigentlich keine großartigen emotionalen Ausbrüche. Seitdem er anderthalb war, wurden wir immer gefragt, ob er denn schon in der berüchtigten Trotzphase sei. Mmmh… hatten wir von gehört und gelesen. Aber mehr auch nicht. Mit dreieinhalb hatte er dann auch mal emotionale Ausbrüche – aber eher kurz und so sehr heftig. Er ist ein Kopfmensch. Er diskutiert eher so lange bis sein Gegenüber – sprich wir – einen emotionalen Ausbruch hat.

Wir wussten, dass unsere Tochter gefühlsstark ist. Sie hat seit dem Tag ihrer Geburt „Wutanfälle“ – die waren da schon heftiger als alles, was der große Bruder uns gezeigt hatte. Aber wir wussten auch, dass da noch mehr kommen würde, von daher traf es uns wenigstens nicht unvorbereitet.

Und was war es? Die Schaukel! Unsere Tochter liebt schaukeln. Sie ist ja von Natur aus selten entspannt, aber wenn sie auf so einer Nestschaukel liegt, in den Himmel schaut und sich treiben lässt, dann kann man sehen wie Ruhe durch ihren Körper strömt. Bei einem kleinen Menschen, der eigentlich immer unter Strom steht, ist das völlig fazinierend anzusehen. Und sie liebt es. Dementsprechend ist es immer schwierig sie von einer Schaukel runterzukriegen. Es ist meistens mit Gebrüll verbunden, aber meistens beruhigt sie sich nach einiger Zeit auch wieder. Es gibt ja viel Anderes zu sehen und zu erleben auf so einem Spielplatz.

Nicht so an diesem schönen Sonnentag auf dem – natürlich – proppevollen Spielplatz. Unsere Tochter hatte die Schaukel bereits eine Weile besetzt und langsam bildetet sich eine kleine Schlange an Kindern, die auch gerne schaukeln wollten. Ich wusste, dass es ihr nicht passen würde, aber ich sagte ihr, dass wir nun Platz für die Anderen machen würden. Ich hob sie von der Schaukel und im gleichen Moment brüllte sie völlig entrüstet los. Gleichzeitig wand sie sich so sehr auf meinem Arm, dass ich sie nur noch schwer halten konnte und sie auf den Boden setzen musste. Sie überstreckte sich und ich sah schon wie ihr Kopf gleich auf die Steine knallen würde. Ich hob sie nochmal kurz an um sie einen Meter weiter in den Sand zu setzen – zugegebenermaßen war es eher ein schleifen. Wie erwartet überstreckte sie sich, der Kopf knallte nach hinten, sie lag im Sand und wälzte sich wütend und tobend hin und her. Ich hatte nicht bedacht, dass Tränen und Heulrotze und Sand echt keine gute Kombi waren. Ihr Gesicht war paniert, sie hatte Sand in den Augen, rieb sich noch mehr hinein und brüllte natürlich noch lauter. Schnell hob ich sie wieder auf und trug sie rüber neben das Klettergerüst, wo es so einen praktischen Gummiboden gibt. Man sinkt richtig ein bisschen ein, wenn man darüber läuft. Perfekt also. Ich dachte mir schon, dass das hier länger dauern würde als wir es bisher kannten und setzte mich einfach neben sie. Anfangs versuchte ich noch, sie anzusprechen und ihr beruhigend meine Hand zu reichen. Nix da. Sie haute meine Hand energisch weg und auf jedes Wort von mir folgte ein extra wütender und lauter Brüll-Heuler. Mein Gerede ging unter und war offensichtlich nicht erwünscht. Also saß ich etwas hilflos daneben und versuchte entspannt zu sein während sie den Spielplatz zusammenbrüllte, sich weiter Hin und Her wälzte und wir viele mitleidige Blicke ernteten. Ich dachte noch „Ja, wie im Buch beschrieben“.

Ich habe keine Ahnung, wie lang das Ganze ging. Auf jeden Fall, eine ganze Weile. Als sie sich irgendwann beruhigt hatte, war sie fix und fertig und völlig verausgabt. Ich konnte sie dann immerhin in den Arm nehmen. Sie hing rum wie ein Schluck Wasser in der Kurve und war sehr dünnhäutig und weinerlich. Wir mussten uns bald auf den Weg nach Hause machen und sie zu einem (sehr) frühen Mittagschlaf hinlegen.