„Count your Blessings“ heißt es im Englischen, was so viel bedeutet wie „Zähle deine Segnungen“. Übersetzt ist es ein bisschen sperrig, ja, aber den Gedanken finde ich schön.
Auch Dankbarkeit hat seine Zeit
Da es mich manchmal nervt, wenn Andere mich zur Dankbarkeit überreden wollen, hier noch ein kleiner Einschub. Manchmal kann man nicht dankbar sein und manchmal will man nicht dankbar sein. Manchmal will man einfach nur rausschreien, dass halt alles scheiße ist! Wenn es dir gerade so geht, dann mach das. Lass dir nicht erzählen, dass du dankbar sein MÜSSTEST. Mich setzt es unter Druck, wenn ich versuche zwanghaft dankbar zu sein. Niemand braucht Druck, wenn es ihm sowieso schon nicht gut geht. Vielleicht ist gerade nicht deine Zeit dafür.
„Weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit.“
Die Bibel, Prediger 3, 4
Meine Zeit für Dankbarkeit
Manchmal schaue ich zurück und da wo ich dachte, dass das alles wirklich nur Mist war, schießt mir plötzlich eine Situation oder ein Mensch in den Kopf und ich denke „Ja, ok, das war schon cool!“ und „Oh, das hatte ich fast vergessen! Das war wundervoll.“ Eins führt zum anderen und plötzlich fallen mir lauter Kleinigkeiten ein, die mir das Herz warm werden lassen. Selbst, wenn ich über ein Kackorona-Jahr mit Schreibaby nachdenke.
Sprachnachrichten
Ja. Ich hätte es nicht geglaubt. Es gibt ja zwei Arten von Menschen. Die einen finden Sprachnachrichten supercool. Die anderen hassen Sprachnachrichten wie die Pest. Ich habe definitiv zu Letzteren gehört. (Ich hatte weniger Probleme damit, welche zu hören als selbst welche aufzunehmen. Einfach so ins Unbekannte labern… nee!) Aber die Zeiten sind vorbei. Ich würde mich nun – vorsichtig – als wohlwollenden Fan bezeichnen. Ich habe mittlerweile einige Freundinnen mit denen ich über Sprachnachrichten spreche. Es ist wie telefonieren, nur dass Jeder dann sprechen kann, wenn er Zeit hat. Das ist für Eltern mit kleinen Kindern ein echt wichtiges Kriterium für die Kommunikation.
Ok, es ist manchmal etwas schwierig sich alle Themen zu merken… wer auch „Sprachnachrichten praktiziert“ weiß, wovon ich spreche. Ich habe zum Beispiel eine Freundin, die ist Meisterin im Abschweifen! Ein bisschen macht das ja jeder, aber sie… wirklich Meisterin! Ungeschlagen! Sie kommt vom Hölzchen zum Stöckchen, vom Stöckchen zum Baum, vom Baum zum Blatt… von dort zur Raupe, und schwups… ist sie bei Kinderbüchern (im übertragenen Sinne). Zwischendurch nimmt sie an der Tür ein Packet an, stillt ihr Baby, räumt die Küche auf und fragt sich irgendwann, was sie eigentlich erzählen wollte. Herrlich. Ich höre ihr zu, grinse in mich hinein und – ICH LIEBE ES! Es ist als würde ich bei ihr auf dem Sofa chillen und ganz nah dabei sein.
Auch, wenn ich meine Menschen mehr vermisse, wenn ich ihre Stimmen höre, ist es doch eine ganz andere Nähe als wenn ich nur Buchstaben auf dem Display sehe.
Kita-Eingewöhnung
Die Kita-Eingwöhnung unserer Tochter habe ich ausführlicher beschrieben, aber trotzdem muss sie hier dabei sein. So unspektakulär, so langweilig. Wir sind so froh und dankbar, dass es so gut verlaufen ist. Unsere Tochter liebt die Kita nach wie vor. Bisher gab es wirklich keine nennenswerten Schwierigkeiten. Die Struktur, die durch den gewohnten Tagesablauf gegeben ist, kommt ihr sehr zu Gute. Sie weiß, wann wie was passieren wird. Sie ist begeistert von ihren Erzieherinnen, für die wir ebenfalls so dankbar sind.
„Näher“ kommen
Meine beste Freundin aus der Schulzeit sehe ich leider nicht so oft. Wir wohnen eigentlich nicht so weit voneinander weg, aber irgendwie kommt einfach immer Alltag dazwischen. Ich glaube, ich habe in diesem Jahr so viel wie lange nicht mehr mit ihr geschrieben, Fotos ausgetauscht, gesprachnachrichtet (gibt es schon ein Verb dafür?!) usw. Das ist so schön und ich bin so dankbar dafür.
Mit einer anderen Freundin schreibe und sprachnarichte ich auch gerade wieder vermehrt. Sie hatte auch kein leichtes Jahr mit einem besonderen Baby, Hausbau undsoweiter. Es ist schön, sich mit Jemandem auszutauschen, der ähnliche Gefühle und Gedanken hat.
Mein Patenkind hatte mich dieses, nee, also letztes, Jahr zu ihrer Konfirmation eingeladen und wir hatten uns sehr darauf gefreut, weil wir sie und ihre Familie schon lange nicht mehr gesehen haben. Leider fieberte unsere Tochter eine Woche lang und wir mussten absagen (der nicht-so-schöne Teil), aber seitdem schreibe ich ab und zu mit ihr, was ziemlich cool ist. Ich hoffe, wir behalten das bei bis Kackorona endlich abgehauen ist.
Unsere WG
Jetzt, wo sich die WG Zeit dem Ende entgegen neigt, bin ich umso dankbarer für die letzten zwei Jahre. Ich bin froh, dass wir diesen Jugendtraum in die Tat umgesetzt haben. Es war die vollkommen richtige Entscheidung. Nun freuen wir uns mit einem kleinen Kloß im Hals für unsere beste, allerliebste Mitbewohnerin auf ihren neuen Weg. Wir können jetzt immer sagen „Weißt du noch, damals in der WG….“. Unsere Kinder haben ihr halbes bzw. sogar ihr ganzes Leben mit drei Erwachsenen zusammen gewohnt. Sie kennen bisher nichts anderes. Der Abschied wird schwer. Echt schwer. Aber die Dankbarkeit ist riesig (Wir lieben dich!).
Sooo viel Hilfe
Das Jahr war soooo anstrengend. Gerade die erste Hälfte von 2020 hat uns Schreibabytechnisch sehr gefordert. Als ich darüber nachdachte, kam mir aber auch in den Sinn, wie viele tolle Menschen wir an unserer Seite hatten.
Eine Freundin, beispielsweise, die wir noch aus Kirchenzeiten kennen, hatte über die Wochenbett-Engel-Aktion von unser Situation gehört. Sie kam uns ein paar Mal besuchen, nahm unsere Tochter in die Trage und ging mit ihr spazieren. Wir mussten keine Angst haben, dass sie überfordert sein könnte. Sie ist sozusagen Profi und wir hatten keine Angst oder Bedenken, sie mit unserem Brüllaffen losziehen zu lassen.
Und da ist noch eine Freundin. Sie wohnt 200 km weit weg, hat selbst Familie mit zwei kleinen Kindern und ist einmal die Woche zu uns gekommen um uns zu unterstützen. Wie krass ist das denn, bitte?! Sie ist morgens zu Hause los und erst nachmittags von uns wieder zurück – damit sie ihren Mädchen noch Gute-Nacht-sagen kann. Sie ist mit unserer Tochter spazieren gegangen und hat später auch noch beide Kinder beschäftigt, wenn der Große aus der Kita kam. Wir konnten mal durchatmen. Aaah, wir haben immer noch Dankbarkeitsgänsehaut, wenn wir daran denken.
Schreiben
Durch diesen Blog habe ich festgestellt, dass ich das Schreiben vermisse. Seitdem ich vor ein paar Jahren meinen Job gewechselt hab, kümmere ich mich nicht mehr um Website, Texte, Fotos, Grafiken undsoweiter. Es macht mir aber echt Spaß, Dinge zu erklären und Gedanken zu Papier zu bringen, das Ganze mit Fotos aufhübschen… ein bisschen rumwerkeln halt… also „Photoshop-Phillip spielen“ wie die echten Grafiker sagen würden. Aber es macht halt Spaß und ich bin dankbar für den Ausgleich.
Count your Blessings
Ich counte also so meine Blessings und stelle fest: So wenig sind es nicht! Und das waren nur die Highlights. Ich bin natürlich dankbar, dass wir gesund sind. Ich bin dankbar für unsere Kinder, die uns den letzten Nerv rauben. Ich bin dankbar, dass wir so viele liebe Menschen kennen und wir auch über die Distanz versuchen, die Verbindung zu halten.
Lasst euch immer wieder erweichen. In diesen harten Zeiten. Bleibt gesund. In diesen kranken Zeiten.
Dass Atmen sich wohl trotzdem lohnt
Das Schicksal niemals wen verschont
Die Straße ist nicht immer eben
Und grad‘ deswegen: „Auf das Leben!“