Wir waren das letzte Mal in diesem Jahr im SPZ bei unserer Ergotherapeutin. Sie ist total lieb und wir mögen sie sehr. Irgendwie stimmt die Chemie. Alterstechnisch dürften wir nicht so weit auseinandersein, es rutscht auch immer mal ein „Du“ statt „Sie“ raus, und im „wahren Leben da draußen“ könnten wir uns vermutlich gut anfreunden.
Mittlerweile hat sie uns schon ein ordentliches Stück unserer Schreibabyreise begleitet und wir empfinden große Dankbarkeit darüber, dass Jemand den Weg mit uns mit geht. Wir können meckern und klagen. Oder vor Erschöpfung schweigen. Das ist alles okay. (Unsere Tochter liegt übrigens meistens ruhig da und beschäftigt sich friedlich mit sich selbst. Kleine Kröte.) Unsere Ergotherapeutin lobt uns immer über den grünen Klee, weil wir alles so gut machen. Weil unsere Tochter sich so gut entwickelt hat. Weil das auf unsere Bemühungen und unsere harte Arbeit zurück zu führen ist. Weil wir schon ein gutes Stück Weg geschafft haben. Sie gibt sich immer große Mühe uns aufzubauen, wenn wir da in ihrem Raum im SPZ auf den Matten sitzen und vermutlich aussehen, wie ein Schluck Wasser in der Kurve. Sie weiß auch, dass uns alles Lob und Gutzureden nichts nützt, wenn wir gerade wieder erschöpft im Tief feststecken. „Aber ich sag’s trotzdem“ sagt sie dann immer. Und tatsächlich, es ist trotzdem gut, es zu hören. Immer wieder. Immer wieder. Ab und zu kommt es nämlich bei uns an und wir fühlen uns weniger wie die erbärmlichen Versager, die zu dumm und inkompetent sind und nicht vernünftig mit ihren Kindern umgehen können.
Heute ist sie einmal kurz aus der Haut gefahren. Also zumindest für ihre Verhältnisse. Auch wirklich nur ganz, ganz kurz. Sie redet uns wieder mal gut zu und versucht uns aufzuzeigen wie viel wir schon geschafft haben. Wie immer können wir das nur minimal erkennen. Wir machen uns Sorgen um unseren großen Sohn, dem wir nicht mehr gerecht werden. Sie sagt, dass es doch so wertvoll sei, dass wir schon sehen und wissen, wo Schwierigkeiten sind und wo es Veränderung braucht. „Ja, wir wissen, was wir anders machen müssten und haben aber gar nicht die Kraft dafür, es zu tun. Das ist doch das Problem.“ moniere ich mal wieder frustriert vor mich hin. „NEIN, DAS IST NICHT DAS PROBLEM.“ sagt sie heftig und sieht fast ein bißchen wütend aus. Nur ganz kurz. Dann ist sie wieder ruhiger: Zu wissen, was man anders machen sollte, auch wenn man es gerade noch nicht kann, ist sehr, sehr viel wert. Sie sagt, wir sollen nicht so streng mit uns sein. Wir könnten darauf vertrauen, dass die Beziehungsbasis, die wir die letzten drei Jahre für unseren Sohn gelegt haben, ihn trägt. Auch wenn er in der momentanen Phase zu kurz käme, würde die Situation auch ihm Möglichkeiten zur Entwicklung geben. Ich weiß gar nicht, was ich dazu gesagt habe. Vermutlich hab ich nur wieder frustriert irgendwas in meinen Bart gebrummelt.
„Heute musste sie ja kurz mal ein bißchen deutlich mit uns werden, wa?!“ grinst mein Mann als wir zum Auto gehen. Ich muss lachen: „Ach, hast du’s auch gemerkt? Ich war mir nicht sicher… Ja, da hatte sie wohl mal genug.“ Zum Glück. Als ich nämlich drüber nachgedacht habe, musste ich feststellen, dass so viel Gutes und Wahres darin liegt. Und tatsächlich habe ich gerade, wenigstens für den Moment, wirklich Vertrauen. Vertrauen in uns und unsere Familie.
Vielleicht bin ich auch zusätzlich gefühlsduselig wegen Weihnachten. Ich liebe Weihnachten. Weihnachten ist Hoffnung. Unserer lieben Ergotherapeutin haben wir ein bißchen Tee und Schokolade geschenkt und uns für die Begleitung bedankt. Außerdem haben wir endlich die Baby-Karten fertig gestellt (Yeah. Nach fast einem halben Jahr!) und ihr eine mitgebracht. Wir hatten zumindest das Gefühl, dass sie sich wirklich sehr gefreut hat. Wir können unsere Dankbarkeit gar nicht so richtig in Worte fassen und freuen uns wiederum, dass nun ein bißchen was davon angekommen ist.