Ich wusste, dass es passieren würde. Ich will ja nicht sagen „Ich hab’s die ganze Zeit gesagt“, aber ich hab’s nun mal die ganze Zeit gesagt. Wenn du über Wochen jeden Tag 5 bis 6 Stunden ein 6KiloPlus-Baby durch die Gegend trägst, dann wird das körperliche Spuren hinterlassen. Und irgendwann wird der Körper sagen „Nee, ich bin raus. Mach das mal ohne mich“. Am Donnerstagmorgen beugt mein Mann sich zu unserer Tochter, die auf einer Decke liegt, und will ihr etwas geben. Dann macht es KNACKS, er kommt nicht mehr hoch und hält sich auf den Knien wimmernd an einem Stuhl fest. Unter großen Schmerzen schafft er es irgendwann aufzustehen und läuft dann wie ein alter gebrechlicher Mann durch’s Haus. Ich kenne das schon.. er schlurft jetzt eine Weile herum, weil Sitzen nicht geht und Liegen nicht geht. Dazu macht er Geräusche wie ein verendendes Tier, die es mir immer kalt den Rücken runterlaufen lassen. Mein Mann hat das immer wieder mal. Er arbeitet als Heilpädagoge und hebt da öfters ein paar Kilo. Manchmal knackt der Rücken und dann liegt er da wie ein Maikäfer auf dem Rücken. Der Arzt schimpft dann mit ihm, schreibt ihn drei Wochen krank, damit er nicht sofort, wenn’s nur ein bisschen besser wird, wieder losgeht und weitermacht, wo er aufgehört hatte.
Was macht man, wenn der Elternteil, der sich um die Kinder kümmert, krank ist und ausfällt? Ich kann mich auf die Kinder krankschreiben lassen, aber nicht auf meinen Mann.
Tja, nun gibt es aber momentan nichts zum krank schreiben. Mein Mann ist ein Jahr in Elternzeit. Wer sollte die Krankschreibung bekommen? Unsere Tochter? Haha. Was macht man in so einer Situation? Am liebsten wäre es dem Arzt, wenn mein Mann jetzt vier Wochen gar nichts mehr hebt. Aber ich bin eigentlich arbeiten. Was macht man, wenn der Elternteil, der sich um die Kinder kümmert, krank ist und ausfällt? Ich kann mich auf die Kinder krankschreiben lassen, aber nicht auf meinen Mann. Dazu läuft meine Rückbildung anscheinend schleppend und ich habe immer noch Bauchschmerzen sobald ich etwas schwerer hebe. Ich wäre also auch keine große Hilfe. Richtiger Mist.
Es gibt die Möglichkeit eine sogenannte Haushaltshilfe über die Krankenkasse zu beantragen, wenn die haushaltsführende Person den Haushalt nicht mehr weiterführen kann. Dazu gehören solche Tätigkeiten wie saubermachen, kochen, einkaufen und auch mal Kinder betreuen dazu. Der Arzt meines Mannes beantragte für ihn eine Haushaltshilfe über zwei Wochen á sechs Stunden täglich (theoretisch meine Arbeitszeit). Wir hatten die leise Hoffnung auf ein bißchen Entlastung.
Pustekuchen. Wenn man bei den größeren Firmen für solche Haushaltshilfen anruft und sagt, dass die Hauptaufgabe der „haushaltsführenden Person“ momentan das Umhertragen und Aushalten eines Schreibabies ist, dann wird’s knifflig. Wenn man dann nach erfahrenden MitarbeiterInnen fragt, sieht es ganz mau aus. Eine andere Möglichkeit sind sogenannte Mütter- und FamilienpflegerInnen. Diese haben in der Regel mehr Erfahrungen mit jungen Familien und echte Kompetenzen rund um Baby-Gedöns. Aber diese Berufsgruppe ist über Wochen und Monate ausgebucht. Da klappt nichts mit Von-heute-auf-morgen. Ok, wir hatten das alles leider schon befürchtet. Es war uns klar, dass unsere Situation nicht der Standardfall ist. Aber frustrierend waren diese zig Telefonate trotzdem.
Mein Mann fuhr Tag für Tag die Absagen ein, hatte Schmerzen bei jeder Bewegung und lies es sich nicht nehmen, sich trotzdem um unsere Tochter zu kümmern. „Wir liegen halt nebeneinander auf der Erde und weinen zusammen.“ erklärte er mir. Nach ein paar Tagen konnte er zwar nicht ganz aufrecht, aber immerhin schon besser laufen, so dass er für längere Strecken mit dem Kinderwagen los zog.
Es bleibt das Gefühl, dass es irgendwie keine richtige Hilfen für einen Fall wie unseren zu geben scheint. Und dass wir auf der Suche nach Entlastung irgendwie in der Luft hängen.
Die beantragten zwei Wochen sind mittlerweile vorbei. Mein Mann kann aufrecht laufen. Die Krankenkasse hat sich bis heute noch nicht zum Antrag gemeldet (Arschgesichter!). Es bleibt das Gefühl, dass es irgendwie keine richtige Hilfen für einen Fall wie unseren zu geben scheint. Und dass wir auf der Suche nach Entlastung irgendwie in der Luft hängen. Da mag ich mir nicht vorstellen, was eigentlich Eltern machen, die keine unterstützende Familie in der Nähe haben. Oder die keine flexiblen Arbeitszeiten oder kulanten Arbeitgeber haben.