Ja. Ich habe lange überlegt, ob ich schreibe, dass der Wendepunkt gekommen ist. Man wird ja vorsichtig mit der Zeit. Wie oft haben wir das schon gedacht und wie oft war der Rückschlag für uns furchtbar schlimm. Aber diesmal glauben wir es (mal wieder) wirklich. Unsere Tochter ist jetzt bald elf Monate alt. Rückblickend gesehen können wir sagen, dass das Leben mit unserer Tochter Stück für Stück leichter wurde als sie ungefähr neun Monate alt war. Wir denken, es hat weniger mit dem Alter an sich zu tun als mit der Tatsache dass sie in diesem Alter anfing zu robben. Wir wussten damals ja noch nicht, dass es nun wirklich aufwärts geht.
Auf und Davon. Und Aufwärts.
Mit neun Monaten robbte sie das erste Mal ein längeres Stück. Klar, es dauerte dann auch noch ein bisschen bis man sagen konnte, dass sie sich sicher und ausdauernd fortbewegen konnte. Es war ja auch nicht schlagartig alles easy-peasy. Ich hatte schon mal beschrieben, dass wir unsere Tochter, obwohl sie älter wurde, immer noch so sehr als Baby wahrnahmen. Ein Baby, um das wir uns kümmern mussten; das Nahrung, Schlaf und frische Windeln von uns brauchte. Ansonsten kam nicht so viel zurück wie wir es in diesem Alter von ihrem Bruder kannten. Aber plötzlich konnten wir Entwicklung sehen! Sogar rasante Entwicklung! Sie robbte, sie zog sich hoch, sie stand auf den Knien, sie stand auf den Füßen… Und so vieles mehr: Sie nutzt ihre erste Baby-Gebärde. Sie isst Brot und Blaubeeren und Brei und Nudeln und Birne. Sie brabbelt. Sie „singt“, wenn sie Musik hört. Sie kann winken. Sie ahmt alles Mögliche nach, was sie bei uns sieht. Sie sagt „Baba“, was dem Vater doch ein kleines Glückstränchen in die Augen getrieben hat.
Wir sind viel mit den Kindern draußen. Seit sie robbt, setzen wir uns einfach im Park auf eine Decke. Sie robbt über Wiese, Steine, Sand und Asphalt. Sie probiert Gras, Blätter, Erde und Steine.
Seeliger Schlaf
Was eigentlich noch viel unglaublicher-phänomenaler-unfassbarer-wunderbarer ist: Sie schläft. Ich denke, nach zwei Monaten Konstanz können wir das so sagen. Sie kann schlafen. Ich gehe fast so weit zu sagen, sie mag es sogar. Als würde sie merken, dass es ihr gut tut. Oft können wir sie in ihr Bettchen legen, dann trinkt sie eine Milchflasche, dreht sich auf die Seite, zieht sich ihre geliebte „Erna“ ins Gesicht (super cooles Faultier-Schnuffeltuch) und schläft ein. Wir können rausgehen. Wenn sie ausgeschlafen hat, dann mummelt sie oft noch eine ganze Weile im Bett rum und blubbert und blabbert und erzählt sich selbst Witze. Oft macht sie erst nach 15-30 Minuten deutlich, dass sie nun keine Lust mehr hat und Jemand sie bitte aus dem Bettchen holen möge. Wenn ich das hier so schreibe, bin ich noch völlig ungläubig. Natürlich bestätigen Ausnahmen die Regel und wir haben wie alle Eltern auch mal eine schlechte Woche oder eine furchtbare Nacht. Als ein paar Zähne gleichzeitig kamen, war sie abends alle halbe Stunde wach und ab 2 Uhr nachts hab ich mich mit ihr ins Wohnzimmer gesetzt. Wir geben zu, dass uns solche Phasen emotional sehr mitnehmen. Sie triggern uns und versetzen uns in Panik. Wir stehen sofort unter Strom und sind darauf gefasst, dass der „Wendepunkt“ doch nur Illusion war und wir unser schreiendes Bündel zurück bekommen. Aber eine Woche später hat sich wieder alles normalisiert und sie schläft nach wie vor gut ein und auch öfters durch. Sie schläft tagsüber mindestens ein Mal, wenn sie zu überreizt ist, auch manchmal zwei Mal.
Immer noch Reize, Reize, Reize
Wir sind einfach so froh über den Schlaf, weil unsere Tochter immer noch sehr schnell reizüberflutet ist. Ich hatte hier schon über den Zusammenhang von Schlaf und Reizen geschrieben. Mittlerweile glaube ich, dass wir unserer Tochter keinen besseren Dienst erweisen können als ihr die Kunst zu vermitteln, den Schlaf als Freund zu betrachten. Ich glaube, der Schlaf wird noch lange Thema bei ihr sein. Sie braucht ihn dringend um diese ganzen Reize zu verarbeiten mit denen sie sich permanent zuballert. Sie ist immer unterwegs, immer in Bewegung. Wenn sie sich nicht fortbewegt, dann zappelt sie mit allen Gliedmaßen oder haut ihre Arme oder Füße gegen den Fußboden. Sie wippt in ihrem Stuhl auf und ab wie ein Flummi. Sie schaut umher, in alle Richtungen, verdreht den Kopf, weil es überall irgendwas zu sehen gibt. Sie nimmt zu jedem Menschen Kontakt auf, „flirtet“, lacht oder quasselt wie ein Weltmeister. Meistens ist sie dann nach 3-4 Stunden „durch“, wenn die Reize-Ladung mächtig war, dann auch mal nach 2h. Die Stimmung kann von einer Sekunde auf die andere kippen. Dann ist einfach alles blöd und alles ein Grund für lautstarkes Gezeter, Weinen, Schreien, Quietschen. Der Papa ist im falschen Zimmer. Wutanfall. Der Stuhl steht falsch. Heulkrampf. Der 3cm-Spalt ist zu schmal zum Durchrobben. Nochmal Wutanfall. Das Spielauto muss verprügelt werden (Ich hab keine Ahnung, was es ihr getan hat!). Nochmal Heulkrampf. Die Tür geht nicht so zu wie sie soll. Ihr wisst, was kommt. In diesen Situationen können wir nur hoffen, dass wir ein dunkles Zimmer, ein Babybett und eine Milchflasche am Start haben. Ansonsten werden wir an diesem Tag keine Freu(n)de mehr haben. Aber da wir das ja wissen, sehen wir zu, dass wir eben überall ein dunkles Zimmer, ein Babybett und eine Milchflasche am Start haben. Whoop Whoop. Easy-peasy. Naja, nicht ganz. Aber im Gegensatz zum letzten Jahr, kriegen wir das jetzt einigermaßen hin.
Und wenn sie dann gemütlich im Bett liegt und sich auf die Seite rollert, mit „Erna“ kuschelt und zufriedene Seufz- und Grunzgeräusche von sich gibt, dann klingt das wahr und wahrhaftig nach wunderschöner Musik in unseren Ohren.