„Liebe Erzieherinnen…“ – Unser Brief zur Eingewöhnung

Der Alltag mit unseren beiden Kindern gestaltet sich nicht so einfach. Dabei wissen wir auch nicht, ob das vorrangig an den unerzogenen Kindern (muharrr) oder auch an der blöden Pandemie-Situation liegt, oder vielleicht auch an unserem schlechten Alltagsmanagement?! Oder an allem zusammen?
Nun fragen uns liebe Menschen immer mal wieder: Na, wie war denn nun die Kita-Eingewöhnung? Deshalb soll es nun ein bisschen weitergehen.

Ich hatte hier davon berichtet, wie viele Gedanken wir uns gemacht haben und was für Sorgen sich in uns aufgetürmt hatten. Wir wollten vor der Eingwöhnung eigentlich so gerne noch mal ins SPZ um darüber zu sprechen. Und wir hofften auf eine Art „Info-Zettel“, den wir den Erzieherinnen hätten geben können. Aber im SPZ schien nur halber Betrieb zu laufen, jedenfalls war es sehr schwer mit einem Termin. Wir waren etwas hilflos. Wir wollten den Erzieherinnen irgendwie mitteilen, dass unsere Tochter eventuell etwas speziell sein könnte, aber wir wollten auch nicht alle Pferde scheu machen. Es war ja völlig offen, wie sie in der Kita zurecht kommen würde.

Wir entschieden uns schließlich im Namen unserer Tochter einen Brief an ihre Erzieherinnen zu schreiben. Sie bekamen ihn am ersten Tag der Eingewöhnung überreicht.

Hallo liebe Erzieherinnen,

ich freue mich, dass ich nun in eure Kitagruppe komme. Meine Mama und mein Papa machen sich ein bisschen Sorgen, deshalb schreibe ich euch. Manche Leute sagen nämlich, ich sei nicht ganz einfach…

Seit meinem ersten Tag auf dieser Welt habe ich viel geschrien. Sehr, sehr viel. Im SPZ vom Vivantes Friedrichshain wurde dann mit 2 Monaten eine sogenannte Regulationsstörung diagnostiziert und wir sind seitdem regelmäßig dort, bei einer Ergotherapeutin. Ich kann meine Umgebungsreize leider nicht so gut verarbeiten wie andere Kinder. Ich finde das Leben zwar furchtbar spannend, ich muss immer unterwegs sein und immer alles genau angucken. Aber ich kann nur schwer in eine Ruhepause zur Erholung finden. Und wenn ich wirklich keine Pause hatte, habe ich irgendwann so viele unverarbeitete Reize in mir, dass ich explodieren muss. (Als Baby konnte ich nur 30 Minuten „durchhalten“, jetzt schaffe ich schon viel, viel länger). Manchmal muss ich dann mit meinen Armen wedeln und meine Beinchen auf den Boden schlagen. Oder ich schreie und gröle wie ein Fußball-Hooligan. Oder, wenn es wirklich viel zu viel war, dann brülle und weine ich und bin völlig außer mir. Je überreizter und müder ich schon bin, desto schwieriger wird es, mich zu beruhigen.

Mama und Papa versuchen dann bisher mit mir eine „Reiz-Pause“ zu machen. Wir gehen allein in ein ruhiges Zimmer, Papa oder Mama setzen sich einfach nur ruhig auf den Boden, ich krabbel um sie herum und meistens überträgt sich die Ruhe und ich entspanne etwas. Wenn gar nichts mehr geht, legen sie mich für ein Nickerchen hin.

Was außerdem dazu gehört: Ich bin ein ziemlich emotionales Kind. Ich erlebe meine Gefühle sehr stark. Wenn ich fröhlich bin, bin ich sehr fröhlich. Aber wenn ich wütend bin, dann bin ich sehr wütend. Kleinigkeiten können mich da schon aus dem Konzept bringen; vor allem, wenn ich einen Plan habe, der dann nicht hinhaut – oder wenn ich was können möchte, was ich noch nicht kann. Dann bin ich schnell außer mir. Das ist etwas anstrengend für Mama und Papa (und nun eventuell auch für euch).

Eigentlich finden Mama und Papa, und auch unsere Ergotherapeutin, dass ich mich toll entwickelt habe. Aber in letzter Zeit sagten ein paar Leute, die mich etwas länger erlebt haben: „Auweia, wie soll sie denn in der Kita zu Recht kommen?“. Deshalb sind Mama und Papa jetzt verunsichert und ein bisschen aufgeregt. Der Kita-Alltag ist wuselig und bunt und selten leise. So viel zu Sehen, Hören und Fühlen… ganz viele Umgebungsreize warten dort auf mich. Meine Mama und mein Papa wissen, dass ich nicht das einzige Kind in meiner Gruppe bin und sich nicht ständig jemand darum kümmern kann, wenn ich mal wieder überreizt bin und schrill vor mich hin quitsche. Aber wir werden da doch sicher zusammen eine Lösung finden?! Ich bin ansonsten ein frohes und freundliches Kind. Ich lache gerne und viel und ich mag andere Menschen.

Bei Fragen und natürlich Schwierigkeiten könnt ihr meinen Papa und meine Mama immer gerne ansprechen. Egal, ob jetzt, oder irgendwann später. Ich freue mich jedenfalls auf euch und bin gespannt, was wir alles zusammen erleben werden.

Viele liebe Grüße
Euer neues Kita-Kind

Die Erzieherinnen waren wirklich gerührt und auch begeistert. Es war echt toll. Der Brief war einfach ein super Einstieg um ins Gespräch zu kommen. Sie haben sich dann auch richtig Gedanken gemacht, wie man unserer Tochter den Kita-Start so gut wie möglich gestalten könnte. Sie haben z.B. angeboten, dass wir zu einer späteren Tageszeit kommen könnten, falls unsere Tochter dann ausgeschlafener wäre. Für den Mittagsschlaf haben sie genau überlegt, welcher Platz für unsere Tochter besonders reizarm wäre. Es war für uns einfach ein gutes Gefühl im Dialog zu sein.

Also, falls Jemand ein „besonderes“ Kind in die Kita eingewöhnen will und einen Gesprächseinstieg und Anknüpfungspunkt sucht: So einen Brief können wir sehr empfehlen! Die Kita-Eingwöhnung war dann übrigens problemlos.