Vom bösen Wort „Schreibaby“

Ich schreibe hier von unserem „Schreibaby“. Dieses Wort ist aber nicht so ganz politisch korrekt wie ich gelernt habe. Denn es steckt mein Baby in eine Schublade (Ach wie gerne würde ich mein Baby in eine Schublade stecken – schallisoliert, versteht sich). Es reduziert mein Baby auf „die eine Sache“.
Ich kann diese Gedanken völlig nachvollziehen und sie haben auf jeden Fall ihre Berechtigung. Ich liebe Sprache und generell finde ich es wichtig, sich zu überlegen, was man wie warum sagt.

Ich habe mir Gedanken gemacht und möchte momentan trozdem von meinem Schreibaby reden. Ja, es reduziert mein Baby auf das Schreien. Das Schreien ist aber momentan nun mal alles, was in unserem Leben zählt. Ich denke fast an nichts anderes. Das Schreien bestimmt unseren Alltag. Mir hilft es ungemein, das beim Namen zu nennen, weil es für mich bedeutet, die Situation ernst zu nehmen, meine Emotionen ernst zu nehmen. (Das gilt übrigens auch dafür, die Gedanken auszusprechen bzw. aufzuschreiben, die man eigentlich überhaupt nicht denken darf.) Würde ich sanftere Wort nutzen, hätte ich das Gefühl, meinen Emotionen nicht gerecht zu werden und sie „weichzuspülen“. Das wiederum würde meinem Innenleben signalisieren: „Es ist nicht ok, wie du dich grad fühlst“. Ich glaube nicht, dass das gesund für mich ist.

Es werden andere Zeiten kommen, da bin ich ganz sicher. Na gut, ganz sicher vielleicht nicht. Aber ich hoffe es inständig. Irgendwann muss das Schreien doch weniger werden. Irgendwann muss es doch aufhören. Und genauso wie das momentan allgegenwärtige Schreien irgendwann eine Erinnerung ist, genauso wird dann das Wort „Schreibaby“ immer weiter aus dem täglichen Sprachgebrauch – und den Gedanken – verschwinden. Dann werden wir viele wunderbare Eigenschaften bei unserer Tochter entdecken, die momentan noch alle versteckt sind, und die dann in den Vordergrund treten. Die Zukunft wird zur Gegenwart und ersetzt die Vergangenheit.

Ja, ich höre bereits den Einwand besorgter Menschen. Aber nein, wirklich, ich bin ganz sicher, dass die Seele meiner Tochter keinen Knacks bekommt, nur weil wir ihr später vielleicht erzählen, dass sie früher ein „Schreibaby“ war. Mir ist durchaus bewusst, dass Worte große Macht haben und man sie mit bedacht wählen sollte. Aber ebenso weiß ich, dass geliebte Kinder stark sind und es eben mehr braucht als ein, zwei dumme Worte um sie umzuhauen. Meine Tochter wird stark sein. Sie ist es jetzt schon.

und von nun an
trag ich dich bei mir.
ein leben lang
will ich wissen, wie es sich lebt,
wenn dein herz in meinem schlägt.

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